Frühjahrskonzert 2006

Datum: 11. Februar 2006

Ort: Martinskirche, Basel

Solisten («Cello a quatro»):

  • Ceciel Strouken
  • Chantal Langlotz-Weibel
  • Monica Forster Corrêa
  • Michaela Bongartz

Leitung:

  • Raphael Immoos

Programm:

Programmeinführung:

Sehr geehrtes Konzertpublikum,

250 Jahre ist es her, seit Wolfgang Amadé Mozart (wie er sich selber nannte) das Licht der Welt erblickte. Seither scheint der Mythos um das geniale Wunderkind nicht mehr zu verstummen. Besonders dieses Jahr blinzelt uns Mozart bis zum Ueberdruss von Plakatwänden zu, versteckt sich auf allerlei Schokoladen-Konfekt und verstopft die Regale von Souvenirläden und CD-Stores.
Das aob schafft Abhilfe! Heute abend erklingt kein Mozart, zumindest nicht Musik von Wolferl! Unser Konzert ist seinem Umfeld gewidmet: allen voran seinem Vater Leopold, seinem Bewunderer und Vorbild Johann Christian Bach und einigen Vorfahren aus der barocken Szene, die durch ihr musikalisches Oeuvre und intensives Klangforschen die Grundlagen lieferten, welche eben ein Genie des 18. Jahrhunderts, wie es Mozart darstellte, dringendst benötigte. Die Auswahl der Komponisten ist keineswegs repräsentativ. Wichtiger erscheint mir folgende Tatsache: Als deutscher Komponist hatte man die Qual der Wahl, im französischen oder italienischen Stil zu komponieren – oder noch besser, sich gleich beider zu bedienen (Italien und Frankreich befanden sich schon über längere Zeit in einem musikalischen Wettstreit)! Dies wiederum setzte fundierte Kenntnisse voraus, welche an Ort und Stelle studiert und vertieft werden mussten. Schon vor Mozarts Zeiten reisten deutsche Komponisten regelmässig nach Italien und Frankreich, um der Mode und dem Geschmack beider Länder nachzueifern. Vater Leopold zog deshalb schon früh mit Sohn Wolfgang in die Fremde. Und offensichtlich hat es sich gelohnt. Mozart ist heute für viele der Inbegriff der «klassischen» Musik geworden (was auch immer darunter verstanden wird).
Die Musik Mozarts wiederum zeigte Wirkung für spätere Komponisten weit über Europas Grenzen hinaus und bis in die heutige Zeit. Das aob trägt das Seine dazu bei und erteilte eigens einen Kompositionsauftrag: Wir freuen uns deshalb besonders auf die Uraufführung eines Werkes für Celloquartett und Sinfonie-Orchester des Brasilianers Frederico Zimmermann Aranha. Somit wäre auch schon etwas über die instrumentale, spezielle Besetzung des Konzert-Abends verraten. Wir begrüssen ganz herzlich die vier Cellistinnen: Michaela Bongartz, Chantal Langlotz-Weibel, Monica Forster Corrêa (sie ist regelmässig Stimmführerin im aob) und Ceciel Strouken von «Cello a Quatro».

Wir freuen uns auf einen unvergesslichen Konzertabend mit Ihnen

Ihr aob (Akademisches Orchester Basel)

Raphael Immoos, Künstlerische Leitung

Frederico Zimmermann Aranha, *13. April 1946 in Sao Paulo (Brasilien)

Gleich als ich auf die Welt kam, merkte meine Mutter, dass ich Chirurgenhände hatte, mein Vater dachte, ich hätte Augenarztaugen, und meine Onkel glaubten, ich hätte Ohrenarztohren, Knie eines Orthopäden oder Magen eines Gastrologen… Nur meine Patentante verneinte das alles: Es war klar, dass ich wie ein Lungenarzt atmete. So kam es – auch wenn keiner mir sagte, ich solle Arzt werden – dass ich doch immer in diese Richtung lernte.

Mein Vater war Schreiber im Notariat und spielte Geige als Amateur, spielte etwas unsauber – weil er kaum Zeit hatte zum Üben. Denn er arbeitete wie ein Sklave, um eine gute Schule für die Kinder zahlen zu können, überhaupt der einzige Luxus für eine kleinbürgerliche Familie wie unsere es war. Meine Mutter sang, und das sehr gut; obwohl sie es vor ihrer Hochzeit bis zur Hochschulreife gebracht hatte, wählte sie den schwersten und am schlechtesten bezahlten aller je ausgedachten Berufe: Mutter.
Als ich zur Aufnahmeprüfung für Veterinärmedizin kam, spielte ich schon etwas Klavier und hatte eben entdeckt, dass Gitarre fast so gut wie Sex ist, mit einem wichtigen Vorteil: die Gitarre hatte nie Kopfschmerzen und reklamierte nie über etwas. Da ich nicht die geringste Lust hatte, Physik, Biologie oder andere Fächer fürs Examen zu lernen, entschloss ich mich für die 7.Option der Liste der Hochschulen, Veterinärmedizin. Diese war nämlich in der Uni Sao Paulo (USP) zuhause, sicher der besten Lateinamerikas. So erfuhr ich bald, dass ein Veterinär im Jockey Club eine Riesensumme bekommen hatte, und entschied mich für dieses Fach. Ich probierte es ein Jahr lang, genug um zu entdecken, dass ich Tiere liebte, aber nur im Zoo oder im Geographic Channel. Ich war ein mittelmässiger Student, dafür wurde meine Gitarre in diesem Jahr immer besser.

Meine Schwester studierte Recht und mein Bruder Ingenieur, beide in der USP. Nach all den Jahren Mühe meiner Alten, wie sollte ich ihnen sagen, dass ich Jazzmusiker werden wollte? Wie?! Gut, dann halt so: Ich machte wieder eine Aufnahmeprüfung, diesmal in Humanmedizin an der Universität in Botucatu. Es war eine gute Medizinschule in einer guten Stadt, 300 km von Sao Paulo, so dass ich dorthin zog. Nach 22 Tagen Unterricht kam mir in den Sinn, dass ich mindestens sechs Jahre in dieser kleinen Provinz leben würde; ich würde davor noch vor Langeweile sterben. Und jetzt? Wiederum fragte ich mich entsetzt: Was würde ich zuhause sagen? Sei’s drum: Ich machte erneut eine Aufnahmeprüfung, diesmal um Geschichte zu studieren, wieder in der USP. Ausser dass ich die Fächer richtig mochte, hatte ich Zeit übrig, um in Bars zu spielen, meine Lieder zu komponieren, Harmonie zu lernen, viel zu flirten und nicht zuletzt gegen die faschistische Diktatur zu kämpfen, unter der Brasilien zwischen 1964 und 1982 litt. Und wurde Musiker in einem Land, wo dieser Beruf gleich unter den Abtrittwäschern rangiert – zumindest bei denen, welche sich rigoros ehrlich mit ihrer ganzen Existenz der Kunst verpflichten. Und ich wusste schon, als ich aus der Uni kam, dass ich auch nicht im geringsten glücklich sein würde in einem anderen Beruf als in der Musik. Aber ich mache nur was ich mag, wann ich mag, wie ich mag, wo ich mag, weil ich es mag; in einem Wort, ich mache nur Musik, weil ich sie liebe. Deshalb ist mein Auto ein alter Chevrolet Baujahr 1989, und ebenso deswegen habe ich mein Leben damit verbracht, nur das zu tun, was mir Freude macht. Leben und Ueberleben kann ich nur in meinem Beruf.

Ich habe klassische Gitarre, Jazz-Gitarre, Klarinette und Alt-Saxophon gelernt, war aber nie klassischer Gitarrist, obwohl ich auch spanische Techniken beherrsche. Ich spielte viel Jazz, gründete Bluesbands mit viel Bossa Nova, Tangos und Boleros…, hatte Auftritte im Radio, TV, Theater, Nachtbars, Cabaret, Zirkus, Bordellen und auf öffentlichen Plätzen… kurz, ich machte musikalisch fast alles, war aber immer und hauptsächlich Arrangeur und Komponist. Ich hasse es zu dirigieren. Nachdem ich fast 30 Jahre gespielt habe, kostet es mich heute viel Ueberwindung, die Gitarre in die Hand zu nehmen: Es braucht zuviel Zeit und Arbeit, etwas mit dem Instrument gründlich zu einzustudieren, und so lasse ich es, um den Schreibstift zu nehmen.

Noch nie habe ich ausserhalb Brasiliens gespielt. Mein einziger renommierter Lehrer war Prof. Hans Joachim Koellreutter. Ein Jahr lernte ich bei ihm und besuchte sein Seminar «Aktualisierung der Musikpädagogik» im Institut für Fortgeschrittenen Studien der USP. Dann waren wir ein Jahr zerstritten, dann schlossen wir wieder Frieden, und so weiter während 12 Jahren. Sei’s drum: Da ich nichts machen kann, wenn ich den Sinn der Sache nicht zuerst erkannt habe, bin ich ein typischer Autodidakt. Aber mit Koellreutter und mit meiner Frau Maria Emília, Konzertpianistin, machte ich 1988 die Serie «Ohr und Verstand» mit 12 Sendungen im Radio Cultura FM, eine erstklassige Sache.

Auf Veranlassung des jetzigen Kultusministers Gilberto Gil, des bekannten Dirigenten Júlio Medaglia und anderen erhielt ich 1990 und 1995 zweimal den Vorschlag als bester Arrangeur für den «Prêmio Sharp» (brasilianischer «Grammy»). Am Universitäts-Festival in Sao Paulo 1974 gewann ich den ersten Preis, in einem 1990 vom Trio Basso Köln ausgeschriebenen Kompositionswettbewerb den zweiten Preis. Im MPB («Musica Popular Brasil», nationaler Wettbewerb ) kam ich in den 9. Rang; die Sambaschule Rosas de Ouro verlieh mir am Karneval 1980 in Sao Paulo den 2. Preis im Samba Enredo.

In 43 Jahren als Profimusiker habe ich unzählige Stücke komponiert. 99% meiner Werke wurden bisher nie aufgeführt, darunter 2 Konzerte für Klavier, eins für Cello und Flöte, eins für Cembalo, eins für 2 Gitarren und eins für Dirigenten («Sinfonia Fratal» benannt, mit Vierteltönen, sehr schwer). Besonders liebe ich Englischhorn, Bratsche und Horn; ich habe aber nie etwas für diese geschrieben, aus Angst, diesen Zauber zu verlieren. Das Cello interessiert mich speziell, seit ich in der Orquestra de Câmara de Blumenau die Cellistin Monica Forster Corrêa kennen lernte. In Europa spielen u.a. das Trio Basso Köln und das Cello a Quatro, in den USA zwei Geiger in Boston und New York meine Werke. Aus der Sicht der Musiktheorie ist sicher das Wichtigste von allem, was ich je gemacht habe, die Erfindung eines neuen apotonalen Kontrapunktes. Diese Technik habe ich oft in Stücken benutzt, mit denen ich mich nicht darum bemühte, das Publikum zu erfreuen. Brasilien lebt noch nicht in der Zeit von Schönberg und ist auch nicht daran interessiert, Stockhausen oder Hespos zu hören: weeeer war das?!?! Meine Kompositionen sind für Künstler in aller Welt schwer, das weiss ich. Als Monica mich aber bat, ein Konzert für Celloquartett zu schreiben, dachte ich zunächst ernsthaft daran, einige Dutzend Funks zu schreiben – jetzt, wo wir ein Kind bekommen, sollte ich mich mehr mit dem Preis der Windeln als mit der künstlerischen Integrität beschäftigen. Bisher habe ich es aber nicht geschafft, das zu tun, und vielleicht lasse ich das für eine nächste Inkarnation.
Heute wohne ich in einer sehr schönen Stadt an der Küste (mit einer sehr zurückgebliebenen Mentalität, auch für brasilianische Verhältnisse) und unterrichte Gitarre für Kinder. Mein Kurs über Musikgeschichte mit Tausenden von Bildern und Hunderten von Tonaufnahmen liegt längst fertig vor, doch habe ich noch niemanden gefunden, der sich dafür interessiert, auch nicht in der Uni von Taubaté, nah von hier. Kurz vor dem Verzweifeln denke ich jeweils an Mozart – MOZART!!! – er wurde arm und bedürftig begraben; dann, statt verzweifelt loszuheulen, werde ich wütend und schreibe noch mehr Musik. Und denke an Koellreutters Definition: Musik IST!

Zum Schluss noch dies: Wenn es in Europa ein Orchester oder eine Musikinstitution gäbe, welches mir 1000€ im Monat zahlen würde, würde ich exklusiv für diese arbeiten: 10 Stunden am Tag, 30 Tage im Monat, 52 Wochen im Jahr: Kompositionen, Arrangements, Transkriptionen und Partituren. Ich bin fähig, ein Konzert pro Monat zu schreiben, das garantiere ich.

Concerto para Quarteto de Violoncelos e Orquestra Sinfônica

(Uraufführung 4. Februar 2006 in Basel)

von Frederico Zimmermann Aranha

Das Werk entstand im Jahre 2005 auf Anregung von Monica Forster Corrêa für ihr Cellistinnen-Quartett «Cello a Quatro» und für Basel.

Das Concerto ist in der hergebrachten Architektur klassischer Konzerte aufgebaut (Allegro, Adagio, Rondo), aber in einer anderen Sprache geschrieben (dodekaphonisch, tonal und modal). Es versucht zu zeigen, wie sehr die europäische Musikkultur die brasilianische beeinflusst hat.
Der einleitende Samba de Doze Notas Só (Samba in nur zwölf Noten) lebt von afro-brasilianischer Rhythmik und einer Melodie im seriellen, streng chromatischen Kontrapunkt nach der Technik von Ernst Krenek. Die Überschrift enthält eine kleine Anspielung auf den «Samba de Uma Nota Só» (Samba in nur einer Note) von Antonio Carlos Jobim.

Am Anfang des Mittelsatzes – Quarteto e Réquiem Para Amadeus – spielt das Celloquartett allein ein Präludium (eine instrumentale Motette) nach der rigorosen Kontrapunkttechnik von Palestrina. Ein Réquiem schließt sich unmittelbar an (attacca). Darin drückt der Komponist seine Trauer und sein tiefes Bedauern über die Zugehörigkeit zu einer Menschheit aus, die es zugelassen hat, dass das größte musikalische Genie aller Zeiten unter den uns bekannten Umständen sterben musste.

Forró Em Basel ist ein typischer Baiao im «3+3+2»-unterteilten 8/8-Takt. Dieser Rhythmus, Musik- und Tanzstil entstanden am Anfang des letzten Jahrhunderts in den Bällen «for all» im Nordosten Brasiliens, wo sich Jazz mit lokaler Folklore mischte. Dieser Forró steht wie viele in mixolydischer Tonart. Er gibt den vier Cellistinnen speziell Gelegenheit, ihre virtuosen Qualitäten zu zeigen. Für die Interpretation ist dieser Satz zwar nicht der schwierigste, wird aber mit Sicherheit beim Zuhören am meisten gefallen.

Johann Christian Bach (1734-1782)

Jüngster Sohn des bekannten Johann Sebastian Bach. Von 1756 – 1762 weilte er in Italien und wurde in Mailand Domorganist. Dort wurde er mit dem italienschen Stil und der katholischen Kirchenmusik vertraut. Von 1762 bis zu seinem Tode war er als Kapellmeister der englischen Königin in London tätig. Die beiden Lebensabschnitte verhalfen ihm zu den Beinamen «Mailänder Bach» und «Londoner Bach». Er hat von den «Bach-Söhnen» den wohl bedeutendsten Einfluss auf Wolfgang Amadé Mozart ausgeübt (abgesehen davon, dass beide bei Padre Martini in Italien studierten). Am 20. November 1776 fand die Uraufführung der Oper Lucio Silla in Mannheim statt (Mozart vertonte denselben Opernstoff 1772!). Bachs Oper vermochte offenbar nicht ganz zu überzeugen und ist heute in Vergessenheit geraten, abgesehen von der Ouvertüre. Diese ist uns in einer Londoner Sammlung mit 5 weiteren Sinfonien (gleichzeitig auch als Ouvertüren bezeichnet) und einem Einzeldruck in Amsterdam erhalten. Die Handschrift, das Original, blieb bis heute verschollen.

Joseph Bodin de Boismortier (1689-1755)

Einer der damals erfolgreichen, populären Vertreter des französischen galanten Stils. 1724 begann er seine Werke selbst zu veröffentlichen. Als flinker, unermüdlicher und vielseitiger Komponist gelang es ihm vorzüglich, den modischen Geschmack seiner Zeit einzufangen. Er versuchte sich mit Erfolg in allen Gattungen und wetteiferte mit den bedeutendsten französischen Künstlern wie J. Ph. Rameau (1683-1764) in der Ballettoper, mit J. C. de Mondonville (1711-1772) in der vokalen Motetten-Kunst und mit L. N. Clérambault (1676-1749) in der weltlichen Kantate. Gewisse Kritiker spotteten über die erstaunliche Leichtigkeit seines Schaffens und seine einmalige Gabe, daraus auch Kapital zu schlagen. Dom Caffiaux berichtet, daß de Boismortier mehr als 50000 Écus aus seinen Kompositionen herausgeschlagen habe, damals ein Riesenvermögen.
Bei seiner viersätzigen Sonate in d-Moll handelt es sich ursprünglich um ein Werk für vier Gamben. In seiner kontrapunktischen Verarbeitung der Motive und dem chromatischen Lamento-Bass im langsamen Satz zeigt de Boismortier, dass er das Komponisten-Handwerk seiner Vorfahren ebenso beherrschte wie den damals neuen modischen, galanten Stil.

Antonio Vivaldi (1678-1741)

…wuchs in Venedig auf, wo er als Geiger an der Kirche San Marco tätig war. Ähnlich wie Leopold Mozart war er Violinlehrer und Komponist. Seine Werke wurden sehr schnell bekannt und wurden auch für andere Instrumente bearbeitet. Johann Gottfried Walther und Johann Sebastian Bach bearbeiteten einige zu Orgelkonzerten. Das Konzert in e-Moll war ursprünglich für 4 Violinen geschrieben und erklingt heute abend in einer Bearbeitung für 4 Solocelli. Das Konzert entstammt dem Opus 3, einer Sammlung mit dem Titel «L’Estro Armonico», was soviel bedeutet wie «Harmonie der Seele». Opus 3 enthält insgesamt 12 Konzerte verschiedener Besetzung (3 Konzerte für 4 Violinen, 3 Konzerte für 2 Violinen und 3 Konzerte für Solovioline, immer begleitet durch ein Streichorchester). Der Titel der Sammlung verrät die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten, welche verschiedenartige Empfindungen in unserer Seele (Affekt) auslösen soll. Vivaldi erreicht dies nicht nur durch variable Besetzungen, sondern durch Experimentieren mit Formen und Harmonien. Im 4. Konzert dieser Sammlung spielt Vivaldi mit den Anfangstönen des ersten Motivs. Es erklingt in allen Sätzen. Die Solopartien variieren, vorerst im Ensemble, dann in Paarbildungen und schliesslich in virtuosen Einzelsoli. Die deutschen Musiker waren vom italienischen Stil sehr angetan. Es gehörte zur Grundausbildung, in Italien zu studieren. So pilgerten schon Jahre zuvor Heinrich Schütz und Hans Leo Hassler nach Venedig, um bei den Gabrielis die italienische Musizierweise (den alten und neuen Stil!) zu lernen. Auch Leopold Mozart reiste mit seinem Sohn nach Italien, damals nach Bologna an die weltberühmte Accademia Filarmonica von Padre Martini.$

Leopold Mozart (1719-1787)

…war ein angesehener Musiker, Komponist und Pädagoge. Zuletzt wirkte er als Vizekapellmeister am Salzburger Hof. Im Geburtsjahr seines Sohnes Wolfgang Amadé veröffentlichte er eines der bedeutendsten Lehrbücher über das Violinspiel («Versuch einer gründlichen Violinschule»), welches noch zu seiner Zeit ins Französische und Holländische übersetzt wurde. Dieses Lehrwerk gilt heute als wichtiges Dokument für die Aufführungspraxis des 18. Jahrhunderts. Leopold Mozart komponierte Kammermusik, Vokal- und Orchesterwerke, davon Solokonzerte, Ballett- und Programm-Musiken («Musikalische Schlittenfahrt») und Sinfonien. Leider sind noch nicht alle seine Werke ediert, im Gegensatz zu denen seines Sohnes. Die Sinfonie in G-Dur gibt uns Einblick in die Komponierweise, wie sie Amadé von seinem einflussreichsten Musiklehrer, seinem Vater, erlernt hatte. Der erste Satz erinnert uns am meisten an die für unsere Ohren vertraute Musik der Wiener Klassik mit typisch italienischer Prägung. Das filigrane Andante des zweiten Satzes zeigt tänzerische, galante Züge, wie wir sie aus der französischen Musik kennen. Der letzte Satz überzeugt durch Virtuosität und affektgeladene innere Steigerung, indem Vater Mozart das Orchester oft einstimmig (unisono) spielen lässt: Mit vereinfachtem Notensatz erzielt er sogar eine Überhöhung des Ausdrucks. Sohn Wolfgang hat später davon regen Gebrauch machen.

David Popper (1843-1913)

…war ein tschechischer Violoncellist und Komponist.
Er war der Sohn eines Prager Kantors und erhielt seine Ausbildung am Prager Konservatorium, wo er bei dem Hamburger Cellisten Julius Goltermann studierte. 1863 wurde er Mitglied der fürstlich Hechingen’schen Kapelle in Löwenberg in Schlesien. 1867 gab er sein Debut in Wien und wurde 1868 Solocellist an der Wiener Hofoper. Ab 1873 folgten ausgedehnte Konzertreisen. 1896 ließ er sich in Budapest nieder, um am dortigen Konservatorium zu unterrichten, das von Liszt gegründet worden war.

Popper war nicht nur einer der hervorragendsten Virtuosen seiner Zeit, sondern bereicherte auch wesentlich die Literatur für sein Instrument, das Cello, durch eine Anzahl gediegener und ansprechender Kompositionen, darunter vier Konzerte und eine Reihe von Salonstücken. Natürlich hat Poppers Musik mit Mozart nicht mehr viel zu tun. Trotzdem zeigt sich darin, wie sich das klassisch aufgebaute, konzertierende Prinzip bis weit über das 19. Jahrhundert behauptete.

Mit Poppers Polonaise verlassen wir den barocken und klassischen Stil rund um W. A. Mozart und leiten über zur Komposition von Frederico Zimmermann Aranha, welche ausser dem Mozart gewidmeten Mittelsatz, ähnlich wie Poppers Polonaise, auf virtuosen Tanzsätzen aufbaut.

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